Energiesparen für mehr Unabhängigkeit

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Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine ist die hohe Energieabhängigkeit von Russland in den Fokus gerückt. Dabei lag die öffentliche Aufmerksamkeit in den letzten Wochen verständlicherweise auf der Beschaffung alternativer Rohstoffe, um politisch und energiepolitisch unabhängiger von russischen Lieferungen zu werden. Aber der günstigste und effizienteste Beitrag zu mehr Unabhängigkeit ist weniger Energieverbrauch. Jede nicht verbrauchte Kilowattstunde hilft auch, Kosten für die teuren fossilen Energien zu sparen. Sprich: Wer Energie spart, schont den Geldbeutel, schützt das Klima und stärkt das Land. Deshalb treibt die Bundesregierung parallel zur Beschaffung von alternativen Rohstoffen und dem Ausbau der Erneuerbaren Energien die Reduktion des fossilen Energieverbrauchs in Deutschland voran. Der Arbeitsplan Energieeffizienz gibt einen Überblick über die wichtigsten Maßnahmen, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufs Gleis setzt und benennt die zeitlichen Etappen, zu denen die Umsetzung erfolgen muss.

Dabei geht es darum, kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Energieeinsparung mit strukturellen Maßnahmen zur Verringerung des Energieverbrauchs zuverbinden. Nur mit dem richtigen regulatorischen Rahmen und wirksamen ökonomischen Anreizen kann eine dauerhafte, nachhaltige Senkung des Energiebedarfs erreicht werden.

Wie anspruchsvoll das ist, zeigt aber die bisherige Diskrepanz zwischen dem, was notwendig ist und dem wenigen, was in den letzten Jahren auf diesem Feld erreicht wurde. Um die Klimaschutzziele zu erreichen und die Versorgungssicherheit zu erhöhen, muss der Energieverbrauch bis 2030 massiv verringert werden. Die aktuelle, von der Bundesregierung unterstützte Novelle der EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) sieht daher für Deutschland eine Senkung des Primärenergieverbrauchs (PEV) um 37 % und des Endenergieverbrauchs (EEV) um 24 % (jeweils ggü. 2008) vor. Falls im Zuge der aktuellen Russland-Ukraine-Krise weitere (zusätzliche) Einsparungen beschlossen werden sollten, erhöht sich das o.g. Ambitionsniveau nochmals. In den Jahren 2008-2018 reduzierte sich der EEV allerdings nur um insgesamt 2 % (durchschnittlich 0,3 % pro Jahr). Der Nachholbedarf ist also enorm. Wir benötigen in der Energieeffizienzpolitik weit mehr Tempo und Konsequenz. Energiesparen ist ein gemeinsames, nationales Projekt, an dem Politik, Industrie, Mittelstand und Verbraucherinnern und Verbraucher ihren Anteil haben. Die Einsparungen und der schnelle Wechsel auf Erneuerbare Energien sind auch nötig, um den Kostendruck für private Haushalte und Wirtschaft zu mindern.

 

I. Richtige Förderung, richtige Anreize

  1. Förderung und Anreize sind ein wesentlicher Schlüssel für mehr Energieeffizienz. Dazu muss aber das Richtige gefördert werden, das Falsche dagegen nicht mehr. In den vergangenen Jahren wurde zum Beispiel noch der Einbau von Gasheizungen gefördert. Dieser Anachronismus wird mit der BEG-Reform jetzt beendet, teils wurde dies schon umgesetzt (so bei der Förderung Effizienzhausstandard EH 40). Ähnliche Fehlanreize gab es insgesamt bei der Neubauförderung: Hier wurde zu lange mit hohen Summen ein Gebäudestandard gefördert, der sich längst am Markt durchgesetzt hat, nämlich der KfW-Effizienzhausstandard 55 (EH 55). Dafür flossen 2021 ca. 6 Milliarden Euro Steuergelder, was rund einem Drittel der 2021 insgesamt für die Gebäudeeffizienzförderung verfügbaren Mittel entspricht. Auch diese Fehlanreize werden beendet. Es gilt, die Steuergelder gezielter dort einzusetzen, wo der Klimaschutzeffekt am höchsten ist.
     
  2. Wichtig ist es daher jetzt, die Förderangebote für Haushalte und Unternehmen, insbesondere die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), neu auszurichten. So wird der Hauptschwerpunkt der Gebäudeförderung über die KfW-Bank und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) auf der Sanierung bestehender Häuser und Wohnungen liegen. Die Sanierungsförderung hat einen besonders hohen Klimaschutzeffekt und hilft, Geld zu sparen. Gerade alte Fenster, alte Außentüren oder alte Heizungsanlagen sind Energiefresser – und damit Kostenfaktoren. Von der Sanierungsförderung können zudem die allermeisten Wohngebäude profitieren. Das Interesse an ihr hat in diesem Jahr angesichts der hohen fossilen Energiepreise deutlich zugenommen. So hat sich die Nachfrage im ersten Quartal dieses Jahres beim BAFA im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nahezu verdoppelt (auf ca. 121 000). Diese Dynamik gilt es zu nutzen und zu unterstützen.
    Die Neubauförderung im Rahmen des BEG wird zudem an klaren Klimaschutzkriterien ausgerichtet. Erste Zwischenschritte sind bereits gegangen. So greift aktuell die zweite Stufe der Neubauförderung - die sogenannte Förderung Effizienzhausstandard 40 Nachhaltigkeit (EH40-NH), die eine Förderung an das Qualitätssiegel für nachhaltiges Bauen (QNG) knüpft. Ab Januar 2023 folgt dann ein für Neubauten neues Programm "Klimafreundliches Bauen", das zusammen mit dem Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) erarbeitet wirdKünftig soll es über eine Reform des BEG zudem verstärkte Anreize für den Wechsel von fossilen Energieträgern auf Erneuerbare geben (also etwa weg von der Gasheizung hin zur Wärmepumpe) sowie niedrigschwellige Angebote (etwa für die Optimierung bestehender Heizungsanlagen). Um die Energieeffizienz im Gebäudebestand weiter zu erhöhen, sollen besonders die energetisch schlechtesten Gebäude adressiert werden, da dort das Einsparpotenzial für Energie und Treibhausgasemissionen am größten ist. Die entsprechenden Anpassungen werden mit der BEG-Reform bis zum Sommer umgesetzt.
     
  3. Um Vermieterinnen und Vermieter zusätzlich zu motivieren, die energetische Sanierung ihrer Gebäude voranzutreiben, soll der CO2-Preis für Erdgas und Heizöl nach einem Stufenmodell neu zwischen Vermieterinnen/Vermietern einerseits und Mieterinnen/Mietern andererseits aufgeteilt werden. Je schlechter die Energiebilanz des jeweiligen Gebäudes, desto mehr vom CO2-Preis zahlen die Vermieter. Das Stufenmodell ist mit dem BMWSB und dem Ministerium für Justiz erarbeitet worden; der Gesetzentwurf wird derzeit in der Regierung abgestimmt.
     
  4. Mehr Energieeffizienz und einen schnellen Wechsel auf Erneuerbare braucht es auch in Industrie, Gewerbe und Handel. Daher soll das bestehende Bundesförderprogramm Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft (EEW) noch in diesem Jahr novelliert werden, um den Energieträgerwechsel in der Industrie zu unterstützen. Dabei geht es insbesondere um die Erzeugung industrieller Prozesswärme (z.B. Tiefengeothermieanlagen). Im Rahmen der Initiative Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerke (IEEKN) ist die Ausarbeitung und Kommunikation von schnell realisierbaren und klein-investiven Maßnahmen für Energieeffizienz und Energiesubstitution in Industrie und Gewerbe geplant.
     
  5. Der Austausch von Öl-/Gasheizungen soll laut Beschluss des Koalitionsausschusses gefördert werden. Um den Wärmepumpenhochlauf zu unterstützen, soll das "Aufbauprogramm Wärmepumpe" Anreize für Handwerksbetriebe und Planungsbüros geben, um an Weiterbildungen zu Planung und Einbau von Wärmepumpen teilzunehmen. Ein Umsetzungsanreiz Handwerk soll die knappen Ressourcen im Handwerk zielgerichtet in die Heizungssanierung und dort zum Einbau von Wärmepumpen lenken. Ziel ist, die Zahl neu installierter Wärmepumpen bis 2024 auf über 500 000 Stück pro Jahr zu steigern.
     
  6. Wichtig ist, Netze zur Wärmeversorgung rasch auf Erneuerbare umzustellen. Viele Kommunen und Stadtwerke stehen hier in den Startlöchern und haben bereits Ideen erarbeitet, wie sie ihre Wärmenetze dekarbonisieren können. Für den richtigen Schub soll das Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) sorgen. Sobald das von uns mit Nachdruck betriebene Genehmigungsverfahren mit der EU erfolgreich beendet ist, soll das Förderprogramm noch in diesem Jahr den Ausbau und die Transformation von Wärmenetzen und damit einen direkten Wechsel auf Erneuerbare Energien ohne fossile Brücken anreizen (fuel switch). Außerdem wird der Neubau von Wärmenetzen mit hohen Anteilen Erneuerbarer Energien und Abwärme gefördert. Das BEW soll durch eine erleichterte Förderung von Fernwärmeanschlüssen in der novellierten BEG komplementiert werden. Ergänzend zum systemischen Neu- und Umbau werden durch die BEW-Förderung Einzelmaßnahmen unterstützt, die frühe Beiträge zur Reduktion von CO2-Emissionen und Gasabhängigkeit leisten können.
     
  7. In der Industrie ist ein regelrechter Nachfrageboom nach grünem Wasserstoff zu beobachten. Die Bundesregierung fördert den Hochlauf von Wasserstoff durch ein großes europäisches Wasserstoffprojekt (sog. IPCEI Wasserstoff – Important Projects of Common European Interest) mit über 8 Milliarden Euro für 62 Projekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette, mit 900 Millionen Euro für das Doppelauktionsmodell H2Global, mit politischen Rahmenverträgen für Energiepartnerschaften und mit dem Ausbau von Erneuerbaren in Deutschland. Wir werden die Nutzung von Erneuerbarem Strom nochmals verbessern, in wir die Mengen an grünem Industriestrom erhöhen und eine Regelung „Nutzen statt Abschalten“ schaffen, durch die Strom, der nicht im Netz aufgenommen werden kann, ohne Abgaben und Gebühren in Speichermedien oder „Power-to-X“ verwandt werden kann.
    Um den Betrieb klimafreundlicher Verfahren in der energieintensiven Industrie zeitnah zu ermöglichen, hat das BMWK Anfang Mai das Interessenbekundungsverfahren für Programme für Klimaschutzverträge (sog. Carbon Contracts for Difference) gestartet.
    Klimaschutzverträge sollen die Markteinführung klimafreundlicher Prozesse v. a. in den Grundstoffindustrien ermöglichen, indem Risiken vermindert und Betriebskostendifferenzen zwischen herkömmlichen und klimafreundlichen Verfahren ausgeglichen werden. Bis zum Sommer erarbeitet das BMWK eine Förderrichtlinie, die der Europäischen Kommission anschließend zur Genehmigung vorgelegt wird. Die Klimaschutzverträge sollen dann noch in diesem Jahr als Förderinstrument eingeführt werden.

 

II. Richtige Standards, richtiger Rahmen

  1. Ab nächstem Jahr wird der gesetzliche Mindesteffizienzstandard im Neubau angehoben, und zwar auf die Effizienzklasse EH 55. Ab dem 1. Januar 2025 wird der Standard noch mal auf EH 40 erhöht. Hierdurch wird der Wärme- und damit der Gasbedarf im Neubau erheblich reduziert. Eine entsprechende Formulierungshilfe für die Novelle des Gebäudeenergiegesetztes wurde in gemeinsamer Federführung vom Bundeswirtschafts- und Bundesbauministerium erarbeitet und am 11. Mai 2022 im Kabinett verabschiedet.
     
  2. Ziel ist, dass Heizungen sehr rasch noch stärker auf Basis erneuerbarer Energien laufen. Deshalb gilt ab 2024, dass bei jeder neu eingebauten oder ausgetauschten Heizung, mindestens 65 Prozent Erneuerbare Energien zu nutzen sind. Das ist in den allermeisten Fällen durch den Einbau einer Wärmepumpe, von Solarthermie oder Holzpellets möglich. Damit wird der Abschied von der Gasheizung vorangetrieben. Die hierfür notwendige Novelle des Gebäudeenergiegesetzes soll im zweiten Halbjahr vorgelegt werden.
     
  3. Solardächer sollen zum Standard werden, um die Stromerzeugung aus Sonne schnell zu erhöhen. Dies macht uns unabhängiger von Energieimporten und senkt angesichts der aktuell sehr hohen Börsenstrompreise die Stromkosten für alle. Die große Novelle des EEG führt bereits zu einer deutlichen Verbesserung der Einspeisevergütungen bei Dachanlagen. Auch hier muss eine gesetzliche Verankerung im Gebäudeenergiegesetz erfolgen; das ist für das zweite Halbjahr geplant.
     
  4. Die ambitionierten Effizienz-Ziele Deutschlands sollen entsprechend der EU-Effizienzrichtlinie umgesetzt werden. Dazu braucht es auch einen regulatorischen Rahmen für die Senkung des Energieverbrauchs. Dabei müssen sich auch Bund und Länder an die eigene Nase fassen: Die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand (Bund, Länder und Kommunen) soll umgesetzt werden – etwa durch die verpflichtende Einführung von Energie-/Umweltmanagementsystemen und spezifische jährliche Energiesparziele. Auch die energieintensive Industrie soll Energiemanagementsysteme (EMS) betreiben. Zugleich sind Maßnahmen zur Stärkung und Weiterentwicklung des Energiedienstleistungsmarkts geplant. Der Rahmen dafür wird derzeit erarbeitet.
     
  5. Es soll eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung eingeführt werden, um den Ausbau der klimaneutralen Wärmeversorgung voranzutreiben. Die kommunale Wärmeplanung ist zentrales Koordinierungsinstrument für lokale, effiziente Wärmenutzung und strategische Planungs- und Investitionsentscheidungen. Eckpunkte sind in Arbeit und werden bis zum Sommer 2022 vorgelegt.

 

III. Die richtige Beratung

Um fossile Energie zu sparen und auf Erneuerbare zu wechseln, sind gute Information und Beratung entscheidend. Im Juni wird eine Energiesparkampagne starten, die Unternehmen, Gewerbetreibende und Verbraucherinnen und Verbraucher mit praxisnahen Tipps und Beratung ermutigt, selbst den Energieverbrauch zu reduzieren, und sei es nur mit ganz einfachen Mitteln. Genauso soll der Wechsel etwa auf Erneuerbare Wärme oder die Solaranlage auf dem Dach unterstützt werden. Dabei werden auch Stakeholder (Handwerk, Branchen, Verbände) eingebunden und aktiviert. Ziel ist es, Einsparpotenziale zu heben und den Wechsel auf Erneuerbare zu vollziehen. Das hilft, der russischen Aggression zu begegnen und gleichzeitig die Energiekosten zu senken.